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Geschichte der Fontes Christiani

„Fontes Christiani“ im Herzoglichen Georgianum und darüber hinaus (1988-2023)

von PD Dr. Horst Schneider


Bochum und München 1988-2023

Seit 2010 befand sich die Redaktion der "Fontes Christiani" im Herzoglichen Georgianum, nachdem sie zuvor von 1988 bis 2009 in der Ruhr-Universität Bochum war. In Bochum wurden insgesamt mehr als 100 Bände in 3 Reihen produziert, in München wurde bis zum aktuellen Zeitpunkt die noch in Bochum begonnene 3. Reihe mit 4 Bänden zu Ende geführt, die 4. Reihe mit 25 Bänden begonnen und ebenfalls erfolgreich beendet, während die 5. Reihe 2024 abgeschlossen sein wird. Zum Erscheinen des 100. Bandes wurde auch ein weiterer Sonderband publiziert, der die Vorträge, die anlässlich dieses Jubiläums auf einer Tagung in Frankfurt 2008 gehalten wurden, enthält.nach oben

Anfänge

1987 begann der damalige Leiter der Bildungskommission der Deutschen Bischofskonferenz und ihr späterer (stellvertretender) Sekretär Dr. Rainer Michael Ilgner damit, eine Idee konkret in die Tat umzusetzen, die er schon länger hegte: nämlich ein deutsches Pendant zu der zweisprachigen französischen Übersetzungsreihe "Sources Chrétiennes" zu gründen, um die Kenntnis der Kirchenväter in Deutschland zu fördern und ein hervorragendes Arbeitsinstrument für den theologischen Unterricht zu schaffen. Ein solches Ansinnen war gerade auch vor dem Hintergrund der bereits in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts allgemein nachlassenden Kenntnisse in den alten Sprachen nicht nur wichtig, sondern konnte auch deshalb die theologischen Studien nachhaltig fördern, weil die bekannte Reihe der "Bibliothek der Kirchenväter", deren einsprachige Übersetzungsausgaben oft im akademischen Unterricht Verwendung fanden, zwar große Verdienste hatte, aber in vielerlei Hinsicht nicht mehr den aktuellen Forschungsstand widerspiegelte, war sie doch in 2 Reihen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnen und vor dem 2. Weltkrieg beendet worden; außerdem konnte so auch in weiteren Bildungskreisen das Interesse an den Texten der Väter aus Antike und Mittelalter gesteigert werden.

Dr. Ilgner begann also mit Gesprächen und Verhandlungen und am Ende konnte er ein Herausgebergremium bestehend aus den Professoren Wilhelm Geerlings und Norbert Brox (beide Alte Kirchengeschichte – Bochum und Regensburg), Rudolf Schieffer (Mittelalterliche Geschichte – Präsident der Monumenta Germaniae Historica – München) und Gisbert Greshake (Mittelalterliche Dogmatik – Freiburg) zusammenstellen, dessen konstituierende Sitzung 1987 stattfand und das die Reihe bald in Schwung brachte. Er selbst gehörte auch dem Gremium an. Außerdem wurde ein Verein Fontes Christiani e.V. gegründet, der das neugegründete Institut tragen und fördern sollte. Später – 1996 – kam noch der Klassische Philologe Siegmar Döpp (Bochum – Göttingen) zu den Herausgebern der ersten Stunde hinzu. Der Verlag Herder erklärte sich bereit, das Unternehmen unter seine Fittiche zu nehmen und bis heute gehören die "Fontes Christiani" zum Herderschen Verlagsprogramm, lediglich die 3. Reihe wurde zwischenzeitlich von einem anderen Verlag (Brepols in Turnhout/Belgien) übernommen.nach oben

Fontes Christiani in Bochum

Redaktion und Geschäftsführung wurden seit 1988 in Bochum von Prof. Geerlings geleitet, zu dessen Lebenswerk sich die Reihe entwickelte. Bereits 1990 konnte der erste Band erscheinen. Aus den Erfordernissen des redaktionellen Alltags wurde sehr schnell klar, dass die Redaktion, bestehend aus dem Theologen Dr. Nikolaus Klimek und diversen Hilfskräften, die zunächst vornehmlich den Satz der Manuskripte besorgen sollte, eine inhaltliche Erweiterung in Form eines philologischen Fachlektorats brauchte. Man hatte nämlich zunächst geglaubt, dass man die eingereichten Manuskripte einfach nur druckfertig zu machen brauchte, um sie in den Printprozess einschleusen zu können, doch erwies sich eine eingehende Lektorierung und Prüfung der Manuskripte unter formalen und inhaltlichen Gesichtspunkten als unerlässlich, um dauerhaft qualitätsvolle Bände gewährleisten zu können. Daher wurde bald eine zweite Stelle geschaffen, die diesen Part übernehmen sollte. Diese Funktion übte etwa 1 ½ Jahre Dr. Marcus Beck (Bonn – Halle) aus, ehe der jetzige Lektor diesen Posten übernehmen konnte, PD Dr. Horst Schneider (seit 1993, Klassische und Byzantinische Philologie, Bonn – Bochum – München).nach oben

Umzug nach München

Im Jahre 2008 verstarb der geschäftsführende Herausgeber Wilhelm Geerlings, so dass eine Neuorientierung, was Organisation und Personal betraf, vonnöten war. Norbert Brox war bereits einige Zeit zuvor im Jahre 2006 verstorben; für ihn war schon 2003 sein Schüler Franz Dünzl, Professor für Alte Kirchengeschichte in Würzburg, nachgerückt. Zum Herausgebergremium neu hinzugewählt worden waren 2004 und 2005 auch die beiden Münchener Professoren Marc- Aeilko Aris (Lateinische Philologie des Mittelalters) und Roland Kany (Alte Kirchengeschichte). Die Herausgeber Greshake und Döpp schieden nach dem Tod von Wilhelm Geerlings auf eigenen Wunsch aus dem Gremium aus. Dr. Ilgner übenahm für ein Jahr die kommissarische Leitung und konnte dann im Verlauf des Jahres 2009 die Entscheidung des Gremiums verkünden, dass die Redaktion 2010 nach München umziehen würde. Nach München wechselte auch der verantwortliche Lektor PD Dr. Schneider in das neugeschaffene Redaktionsbüro im Herzoglichen Georgianum, während der in Bochum noch sehr personalintensive Satz- und Produktionsbetrieb auf Veranlassung des neuen Geschäftsführers Prof. Aris modernisiert und neu strukturiert wurde, d.h. konkret, dass der Satzbetrieb der Hauptreihe in Zeiten digitaler Kommunikation über das Internet Kosten sparend ausgelagert und in die Hände zweier sehr erfahrener Setzer gelegt wurde, die auf eine große Erfahrung bei anderen Editionsprojekten zurückblicken konnten, nämlich Dr. Michael Trauth (Trier) und Heidi Hein (Heidelberg), für einzelne Groß- und Sonderausgaben konnte das Satzbüro von Dr. Jean-Urban Andres (Trier) gewonnen werden. Zu Beginn der Münchener Zeit kamen neu ins Gremium der Herausgeber auch der Hausherr des neuen Redaktionsbüros, der Direktor des Herzoglichen Georgianums Prof. Winfried Haunerland (Liturgiewissenschaft – LMU München) sowie später auch Frau Prof. Isabelle Mandrella (Philosophie und philosophische Grundfragen der Theologie – LMU München). Neue Mitglieder des Vereins Fontes Christia- ni e.V. wurden Frau Prof. Beate Kellner (Germanistik – LMU München) sowie Herr Professor Franz Xaver Bischof (Kirchengeschichte des Mittelalters – LMU München). Der Editionsplan wurde gestrafft und das Hauptaugenmerk auf theologisch bedeutsame Texte gelegt, da die Auswahl der Texte in der Vergangenheit bisweilen auf Kritik bei den Rezensenten stieß.nach oben

Die Bibliothek der Kirchenväter und das Herzogliche Georgianum

Mit der Wahl des Herzoglichen Georgianums als neuem Redaktionsstandort knüpften die Herausgeber darüber hinaus an eine speziell für die Reihe "Fontes Christiani" geschichtsträchtige Tradition an, war das Georgianum doch die Pflanzstätte für die bereits genannte Vorgängerreihe "Bibliothek der Kirchenväter". Die Einzelheiten zu deren Gründung überliefert uns eine Notiz in der Biographie von Prof. Franz Xaver Reithmayr, die der damalige Direktor des Georgianums, Prof. Valentin Thalhofer, verfasste:

"Als zu Anfang des Jahres 1868 der unternehmende, mir persönlich sehr befreundete Chef der Kösel’schen Buchhandlung in Kempten den Plan zur Herausgabe einer "Bibliothek der Kirchenväter" mir vorlegte und mich ersuchte, die Oberleitung zu übernehmen, schrak ich vor den vielerlei Schwierigkeiten, welche dem Unternehmen entgegen zu stehen schienen, zurück, führte aber den beharrlichen Verleger bei Reithmayr ein, der als gewiegter Kenner und begeisterter Verehrer der Väterliteratur das projectirte Unternehmen sogleich billigte und an dessen Spitze zu treten versprach. Nachdem wir gemeinsam die Auswahl für die erste Serie getroffen und mehrere tüchtige Kräfte behufs der Übersetzung gewonnen hatten, wurde rasch ans Werk gegangen und schon vor Mitte Juni 1869 konnte das erste Bändchen von der "Bibliothek der Kirchenväter" ausgegeben werden. Das zündende Vorwort Reithmayrs – welches sein literarisches Testament – geworden ist – hat dem Unternehmen viele Freunde gewonnen und selbst unter den Protestanten Anklang gefunden. Es befinden sich in meinen Händen die Correcturbogen vom ersten Bändchen; sie lassen ersehen, mit welch' erstaunlicher Genauigkeit und aufopfernder Liebe er Anfangs die Übersetzungen controlirte und verbesserte. Später, als die Zahl der Bändchen sich mehrte, war ihm das freilich nicht mehr in solcher Ausdehnung möglich; übrigens hat er noch während seiner letzten Krankheit, so lang es ihm möglich war, dem Unternehmen seine sorgliche Aufmerksamkeit zugewendet. Wodurch ich mich bewegen ließ, nach Reitmayrs Tod an dessen Stelle die Oberleitung der "Bibliothek der Kirchenväter" zu übernehmen, hab‘ ich im Vorwort zum 36. Bändchen derselben dargelegt. Möge das nützliche Unternehmen auch fürder gedeihlichen Fortgang haben!"1

Tatsächlich verlief auch die Gründung der "Fontes Christiani" ganz ähnlich wie die der Bibliothek der Kirchenväter. Treibende Kraft war dabei Dr. Ilgner, der Herausgeber und Verlag (Herder) für diese bildungspolitische Aufgabe begeistern konnte. Die Herausgeber entwickelten einen Editionsplan und vor allem Wilhelm Geerlings und Norbert Brox gelang es, in der Anfangszeit immer wieder neue Autoren unter ihren Kollegen und Schülern zu gewinnen. Nachlassende Latein- und Griechischkenntnisse wie am Ende des 20. Jahrhunderts und in der Gegenwart waren jedoch in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts kein Grund, eine solche Reihe ins Leben zu rufen, war doch das Humanistische Gymnasium allerorten verbreitet und wurden selbst Noten für "Lateinischsprechen" vergeben (so etwa im Abiturzeugnis von Karl Marx nachzulesen, das öffentlich in seinem Heimat- und Geburtsort Trier ausgestellt wird – er hatte übrigens ein "befriedigend"). Für Reithmayr spielten mehrere Gründe eine gewichtige Rolle, eine solche Reihe zu schaffen, die hier nur kurz angedeutet werden können: Historisch gesehen war die weitere Erschließung der patristischen Quellen in deutscher Übersetzung bedeutsam für die zeitgenössische Gegenwart des 19. Jahrhunderts, die auf vielfältige Weise mit den Vätern geistesgeschichtlich verbunden war, insbesondere in den theologischen Wissenschaften. Denn die Kenntnis der Kirchenväter konnte helfen "in einer glaubensfeindlichen Zeit", Argumente und Strategien gegen "die moderne, vom Glauben losgerissene Wissenschaft" zu finden. Die angeblich von ihren Ursprüngen entfremdete Kirche – so die Gegner – konnte durch das Studium der Kirchenväter wieder in ihrer tatsächlich vorhandenen Einheit des Ursprungs geschaut werden: Derjenige, der sich mit der Literatur der Väter befasst, "wandelt … durch das ganze Gebiet der Urkirche wie durch ein trautes Heimatland."2nach oben

Sonderbände 2014 und 2017: Jacobus de Voragine, Legenda aurea – Egeria, Itinerarium

Zu den besonderen Leistungen, die in München bisher vollbracht wurden, gehört vor allem die Publikation des Monumentalwerks der Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Das Manuskript des Riesenwerks, das der Verfasser Bruno Häuptli (Basel - Schweiz) in jahrelanger Arbeit anfertigte, und der Bochumer Redaktion bereits seit mehreren Jahren vorlag, aber aus verschiedenen Gründen nicht zum Druck kam, konnte durch die Reorganisation der Redaktion, Neustrukturierung des Produktionsprozesses und die Initiative aller Beteiligten: Autor, Redaktion, Verlag (Herder: Dr. Steimer), Herausgeber und Geschäftsführung (Prof. Aris) 2014 endlich zum Druck gebracht werden und liegt nun in einer großformatigen zweibändigen Ausgabe vor, die von der wissenschaftlichen Kritik hochgeschätzt wurde, wie zahlreiche Rezensionen nachdrücklich gezeigt haben. 2022 erschien bereits eine zweite Auflage in drei Bänden. Außerdem gelang es, eine Neuauflage – tatsächlich bereits die 3. Auflage – eines mittlerweile seit geraumer Zeit vergriffenen Bandes, nämlich des Itinerariums der Egeria (Autor: Dr. Georg Röwekamp – Direktor des Jerusalem-Büros des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande), neu herauszugeben.nach oben

5. Reihe - Sonderbände: Die Sentenzen des Petrus Lombardus

Die 5. Reihe wird im Jahre 2024 abgeschlossen werden. Im Rahmen der 5. Reihe wird im Frühjahr 2024 erscheinen die zweisprachige Edition der Sentenzen des Petrus Lombardus, die Prof. Stephan Ernst aus Würzburg übernommen hat, ein ähnliches Monumentalwerk wie die Legenda aurea. Das Jahr 2018 verlief darüber hinaus für die Reihe dadurch weniger glücklich, dass zwei der Herausgeber kurz nacheinander unerwartet nach kurzer, aber schwerer Krankheit verstarben (Proff. Dünzl und Schieffer). Doch konnten schnell neue Herausgeber gefunden werden, die die an sie herangetragene Aufgabe mit großer Freude übernahmen: Herr Prof. Peter Gemeinhardt (Alte Kirchengeschichte – Universität Göttingen), Herr Prof. Andreas Schwab (Klassische Philologie – LMU München) und Frau Prof. Martina Giese (Geschichte des Mittelalters – Universität Potsdam).

Corona und Veränderungen 

Zum 1.4.2021 zog die Redaktion aus dem Herzoglichen Georgianum aus, da infolge der Corona-Pandemie die redaktionellen Arbeiten seit Beginn der Quarantäne-Maßnahmen nur noch im Home-office stattfinden konnten. Aus der Not wurde eine Tugend: Die Redaktion wurde dauerhaft – auch über die Quarantäne-Maßnahmen hinaus – in das Home-office von Dr. Schneider verlegt (Genter Straße 25 in 46147 Oberhausen). In der Universität wurde ein Archiv für Akten und Unterlagen der Fontes Christiani eingerichtet (Adalbert-Trakt). Nachdem Winfried Haunerland 2023 zu unser aller Bedauern viel zu früh verstorben war, konnte Martin Wallraff, Prof. für Alte Kirchengeschichte an der LMU, als neuer Herausgeber hinzugewonnen werden.nach oben

6. Reihe

Die Vorbereitungen für eine 6. Reihe laufen, die im Herbst 2024 beginnen soll.

Anhang – alphabetische Liste der Herausgeber:

Marc-Aeilko Aris 2005ff, Geschäftsführer seit 2010
Norbert Brox (2006 †) 1987-2003
Siegmar Döpp 1996-2008
Franz Dünzl (2018 †) 2003-2018
Wilhelm Geerlings (2008 †) Geschäftsführer 1987-2008
Peter Gemeinhardt 2018ff
Martina Giese 2018ff
Gisbert Greshake 1987-2008 Winfried Haunerland 2010-2023
Rainer Michael Ilgner (2013 †) 1987-2014, Geschäftsführer 2009
Roland Kany 2004-2011.2014ff
Isabelle Mandrella 2014ff
Rudolf Schieffer (2018 †) 1987-2018
Andreas Schwab 2018ff
Martin Wallraff 2023ff

PD Dr. Horst Schneider – Redaktion
"Fontes Christiani"

1Zitat aus Dr. Fr. Xav. Reithmayr, weiland o. ö. Professor der Theologie an der Universität München, Lehrbuch der biblischen Hermeneutik, aus dessen hinterlassenen Handschriften mit Ergänzungen und einer Lebensskizze des Verfassers herausgegeben von Valentin Thalhofer, o. ö. Professor der Pastoraltheologie an der Universität und Direktor des Georgianischen Clerikalseminars in München, Kempten – Kösel 1874, XXXIVsq.

2F. X. Reithmayr, Vorwort des ersten Bandes der Bibliothek der Kirchenväter, Kempten 1869, V-XI; Zitate: VII und VIII.

Literatur: H. Schneider: Epistula 67, München/Herzogliches Georgianum 2018